von Otto Düben

»Als technische Qualität bietet die Stereophonie größere Durchsichtigkeit und Verständlichekit. Was in der Musik durch die Lokalisierung der Klangquellen, durch Ortung einzelner Instrumente und Orcherstergruppen, ein differenziertes Hören ermöglicht und unbestritten als eine Bereicherung empfunden wird, erfuhr im Hörspiel erst eine andere Auslegung: »Das funkeigene Originalhörspiel hat seine wesentlichen Merkmale bisher in der Schaffung einer nicht räumlich faßbaren Vorstellungs- und Erlebniswelt gefunden. Stereophonie würde – so gesehen – den Rückschritt zum ‹Theater hinter dem Vorhang› bedeuten.« Andere sprachen von »plattem Realismus«, prophezeiten einen »künstlerischen Rückschritt« oder behaupten »Hörspiel gibt es vermutlich nur durch die Unvollkommenheit und Eindimensionalität seines akustischen Raumes.

Dies veranlaßte Enno Dugend (Komponist und Mitarbeiter von Hörspielinszenierungen) zu der Frage: »… wenn am Anfang der rundfunktechnischen Entwicklung die Sterophonie gestanden hätte, fertig wie Athene dem Haupte des Zeus entsprungen, hätte das Hörspiel dann aus künstlerischen Gründen die Forderung nach einer Erfindung der Monophonie erhoben? Oder haben die vermeintlichen künstlerischen Eigenschaften des monophonen Hörspiels vielleicht nur aus der Not des technischen Unvermögens eine Tugend gemacht?

Beim stereophonen Hören entsteht zwischen linkem und rechtem Lautsprecher eine Breite, die zusammen mit der Dimension Tiefe den Eindruck des »Raumes« schafft. Realistische Spielläufe, die örtliche Fixierungen der Schallquellen in diesem Raume hervorrufen, erwecken nun tatsächlich verstärkt den Wunsch, das akustische Geschehen auch visuell erleben zu wollen. Beim diesjährigen Prix-Italia-Wettbewerb in Mantua war in der Sparte »Stereophonische Werke« eine Produktion zu hören, die das überdeutlich demonstrierte. Bewegte Szenen, Musik, Gesang, Opernchor strahlten eine solche Bühennatmosphäre aus, daß man fürwahr nur noch das »Ballett« vermißte.

Sicherlich tragen Erörterungen zum Erkennen der Möglichkeiten der Stereophonie im Hörspiel bei, doch werden in der praktischen Arbeit (von Autoren und Dramaturgen, von Technik und Regie) noch Erfahrungen zu gewinnen sein, die erst dann zu einer »Theorie« formuliert werden sollten.

Die erste stereophone Hörspielproduktion beim Süddeutschen Rundfunk war »Kaspar« von Peter Handke, in der von ihm besorgten Funkfassung. Durch eine »Aufnahme-Choreographie« konnten wir mit den Mitteln der Stereophonie eine abgestufte, vielstimmige »Umwelt« schaffen und so die sprachliche »Einkreisung« Kaspars mit einer Intensität verwirklichen, wie sie in einer Monofassung nicht zu erreichen wäre.

Ein geeignetes Beispiel in diesem Zusammengang ist auch usnere Produktion von Kay Hoffs Hörspiel »Ein Schiff bauen«. Auch in diesem Fall erreichten wir durch die Stereophonie eine weit vielfältigere Aufteilung von Stimmen, Klängen und Geräuschen. Dabei war uns wesentlicher die Bereicherung durch die Staffelung in die Tiefe, als der anfänglich sehr strapazierte Links-Rechts-Effekt.

Erweitert hat sich auch die Schnitt- und Montagetechnik, sie ist nuancierter anwendbar, doch bedeutend komplizierter geworden. Die Produktionszeiten lassen deutlich den größeren Aufwand erkennen; betragen sie für Mono-Hörspiele durchschittlich vier bis sechs Tage, so beanspruchen Stereoproduktionen sieben bis vierzehn Tage.

Erwähnenswert (und dies kann in diesem Zusammenhang nur Anregung zu einer intensiveren Betrachtung sein) bleiben noch die Impulse, die die Stereophonie den Autoren zu geben vermag. Sprach- und Schallspiele und Collagen bilden einen wesentlichen Teil unserer heutigen Hörspiel-Literatur; ihnen bietet die Stereotechnik eine ihnen gemäße Verwirklichung.«